Sehr empfehlenswert – insbesondere für all jene, die abseits des Mainstreams eine Komödie mit Herz und Hirn erleben möchten.
Von der ersten Minute an gelingt der Inszenierung unter Marco Linke ein spürbarer Balanceakt zwischen heiterem Familienchaos und nachdenklichem Blick auf Verhältnisse zwischen Eltern und erwachsenen Kindern. Das Bühnenbild und die SchauspielerInnen schaffen eine vertraute Atmosphäre – man fühlt sich sofort heimisch im Wohnzimmer von Vincent und Hannah –, zugleich ist das Geschehen überraschend, scharf beobachtet und mit angenehm bitterem Nachgeschmack.

Die drei Geschwister – Per, Julian und Louisa – betreten die Bühne mit einer Mischung aus Pflichtgefühl, lauernder Angst und familiärer Gewohnheit. Ihre Reaktionen auf die dramatische Einladung der Eltern sind gleichsam absurd wie nachvollziehbar: Man versteht die Panik, man lächelt über die Übertreibung – und man spürt darunter ein echtes emotionales Fundament. Als dann der Lottogewinn der Eltern offenbart wird, kippt das Verhältnis spürbar: Von Fürsorge wird zu Forderung, von Zusammenhalt zu Konkurrenz – und das Ensemble spielt diesen Wandel mit feiner Nuancierung.
Besonders wirkungsvoll ist, wie das Stück mit dem Thema Geld umgeht: Nicht einfach als Mittel zum Zweck, sondern als Stein im Familien-Gleichgewicht. Was früher „wir zusammen“ hieß, droht nun „ich erwarte“ zu werden. Die Eltern eröffnen nicht nur neue Möglichkeiten – sie definieren neue Machtverhältnisse. Diese Wendung wird pointiert, häufig witzig, aber niemals lauwarm umgesetzt.

Die Regie verzichtet auf übertriebene Gags und schenkt dem Text Raum: Das Tempo bleibt lebendig, doch es wird auch innegehalten – in Blicke, in kleine Gesten, in das, was unausgesprochen bleibt. In diesen Momenten zeigt sich der Tiefgang des Stücks: Es geht um Loyalität, Erwartung, Enttäuschung. Und vor allem darum, dass Liebe allein nicht genügt, wenn wenig gesprochen wird.
Das Ensemble liefert durchweg solide bis überzeugende Leistungen. Die Eltern-Figuren sind nicht eindimensional, sondern tragen auch Schattenseiten – und die Kinderfiguren zeigen mehr als Reaktivität: Jede/r zeigt Ambition, Unsicherheit und eine verzweifelte Sehnsucht nach Anerkennung. Der Raum für Identifikation ist groß – gerade, wenn man selber in dieser Zwischenphase erwachsener Kinder steckt.

Für das Boulevardtheater Bremen merkt man, dass die Produktion mit Blick auf das Publikum gemacht ist: Zugänglich, sympathisch, mit vielen Lachern – und doch mit Substanz. Wer eine reine Unterhaltungskomödie erwartet, bekommt diese – aber wer sich darauf einlässt, wird auch berührt und angeregt. Der Abend verlässt einen mit dem Gefühl: Familie ist nicht nur, wer anruft – sondern wer zuhört. Und das gilt in diesem Fall ganz wörtlich.
Insgesamt: Eine sehenswerte Aufführung, die Spaß macht, klug ist und dabei weder sentimental noch kalt wirkt. Sehr empfehlenswert – insbesondere für all jene, die abseits des Mainstreams eine Komödie mit Herz und Hirn erleben möchten.
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