BWW Reviews: 'Heißes Blut und kalter Kaffee' - Uraufführung im Berliner O-TonArt Theater

By: Nov. 03, 2013
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„Die Hölle, das sind die anderen" schrieb Jean Paul Sartre in seinem 1944 uraufgeführten Stück „Geschlossene Gesellschaft". Im Vorraum zur Hölle warten dort seine drei Protagonisten ohne Aussicht auf Erlösung oder Befreiung. Die Türe bleibt bis zu letzt für alle verschlossen.

Aber machen wir es uns nicht etwas zu einfach die eigenen Probleme auf andere abzuwälzen? Ist die Hölle nicht auch ein Ort den wir uns selbst ausgesucht haben und somit für unser Handeln verantwortlich zeichnen? Ist Marika Röckk eine solch tragische, dramatische Heldin, eine Salome des Dritten Reichs? Wohl kaum, denn bei aller Egozentrik und übertriebenen Geltungssucht, die die Rökk an den Tag legte, bleibt mit ihr trotzdem etwas unschuldiges, sogar Mitleidvolles zurück.

Im Stück „Heißes Blut und kalter Kaffee", welches am 01.November Uraufführung im Berliner O-TonArt Theater feierte, versucht die Rökk immer wieder aus ihrer eigenen Hölle auszubrechen, doch auch ihr bleibt die Tür verschlossen. Sabine Schwarzlose verleibt der Frau, die in solch plakativ harmlosen Filmen wie „Und du mein Schatz fährst mit" ,"Hab mich lieb" und „Heute gehen wir bummeln" zum Star wurde neues, längst vergessenes Leben ein. Die Rökk hat im Bewusstsein der Deutschen nicht den gleichen Stellenwert wie etwa eine Knef, Dietrich oder Leander und wahrscheinlich ist ihr Leben nicht zwingend bühnenwirksam. Dass der musikalische Abend dennoch zu einem fulminanten Erfolg wird, ist der grandiosen Sabine Schwarzlose zu verdanken, die als Marika berührt, begeistert und elementar die innere Zerrissenheit und Verzweiflung der Rökk spürbar macht. Dabei spielt das Stück ganz hervorragend mit den Erwartungen der Zuschauer wenn die Schwarzlose zu Beginn und im Verlaufe des Stücks immer wieder privat mit ihrem kongenialen Partner Volker Sondershausen (am Klavier und als Georg Jacoby) über die Rökk fachsimpelt und dazu (fiktive) Meinungen von Passanten eingespielt werden.

Wer war diese Marie Karoline Rökk, die im exotischen Kairo geboren wurde und in Budapest aufwuchs? Zuerst schillernder Star der UFA, geliebt von Millionen, nach dem Krieg gefallenes Idol, beschimpft und bespuckt, mit einem Auftrittsverbot in Deutschland und Österreich bestraft. Sie selbst bezeichnet sich im Stück als vollkommen „unpolitisch", denn sie habe doch „keine Ahnung" gehabt. Genau hier gelingt dem Stück etwas sehr kluges: einen Bruch. Die beiden Schauspieler „steigen aus" und fragen sich: ist es nicht zu einfach die Schuld immer bei den anderen zu suchen? Ist hier vielleicht ein Widerspruch zu finden in der Aussage Sartres? Die Hölle sind vielleicht doch wir selbst und nicht die anderen.

Dass, was sehr leicht zu einer Aneinanderreihung von Anekdoten und Bonmots in klebriger Zuckerwatte hätte werden können gelingt in der nuancierten Regie von Patric Barthel zu einer kritischen wie liebevollen Hommage an die Rökk. Basierend auf ihrer Autobiographie "Herz aus Paprika" schufen Barthel und Sabine Schwarzlose die Bühnenfassung.

Sabine Schwarzlose ist der Rökk sowohl schauspielerisch wie gesanglich haushoch überlegen und landet mit ihrer Charakterisierung der Diva einen musikalischen wie schauspielerischen Volltreffer in einer tour-de-force Star Performance. "Ein Menschlein, dass so etwas kann, wird es zu etwas bringen" sagt Sondershausen als Jacoby. Sabine Schwarzlose vollbringt den Drahtseilakt zwischen Schauspiel, Gesang und Tanz. Sie überzeugt mit exquisitem komödiantischen Timing und gut gesetztem ungarischen Akzent, der glücklicherweise zu keiner Zeit aufgesetzt wirkt.

Sie berührt mit einer "Nacht im Mai", sorgt mit Peter Kreuders Schlager „Auf dem Dach der Welt, da steht ein Storchennest" für hysterische Lacher, beeindruckt mit einer a-capella Version von Jerry Herman's „Hello Dolly" und schafft es ganz nebenbei ein komplettes Fernsehballett zu ersetzen. Wie das geht? Hingehen, anschauen und sich dem heißen Herzen aus Paprika leidenschaftlich ergeben.



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