Live Musicals im Fernsehen als neuer Trend in den USA und Großbritannien

Im Jahr 2012 hatte der amerikanische Fernsehsender NBC eine Idee, ob größenwahnsinnig oder genial, das konnte damals noch keiner sagen. Man wolle den Musical Klassiker THE SOUND OF MUSIC im Fernsehen zeigen. Nicht den weltberühmten Film mit Julie Andrews, und auch keine gefilmte Version des Musicals (wie man das von Produktionen des National Theatre Live vielleicht aus dem Kino kennt). Nein. Die Idee war die Folgende: In einem Studio in New York sollte das Musical in einer neuen Inszenierung vor laufenden Kameras, jedoch ohne Publikum, aufgeführt und live im Fernsehen übertragen werden: professionell mit Bühnenbild und Kostümen, in Echtzeit, komplett mit schnellen Kostümwechseln und Szenenumbauten. Eben ganz wie ein live Musical, nur im Studio anstatt im Theater.

Um für dieses wahnwitzige Projekt ein möglichst großes Publikum vor die Bildschirme zu locken wurde ein Ausstrahlungstermin in der Vorweihnachtszeit 2013 festgelegt, und die Julie Andrew Rolle mit Countrytstar Carrie Underwood besetzt. Ein bisschen riskant vielleicht, da Miss Unterwood zwar eine tolle Sängerin ist, aber kaum Schauspielerfahrung mitbringt. Dafür wurden dann aber die restlichen Rollen mit Broadwaydarstellern besetzt, darunter Laura Benanti, Audra McDonald und Christian Borle. Die Leitung des Projektes übernahmen ebenfalls Broadwayveteranen. Viele Wochen Probezeit (neben den normalen Proben für die Schauspieler sind ja dann auch noch Kameraproben nötig) und ein Budget von 9 Millionen Dollar später war es dann am 5. Dezember 2013 soweit. Am nächsten Morgen war klar das was als irrwitzige Idee begonnen hatte, ein Megahit geworden war. Zwar waren Kritiker und Zuschauer nicht zu 100% von der Qualität der Produktion überzeugt, v.a. Carrie Underwood musste viel Kritik einstecken, aber alle waren sich dennoch einig, dass das Konzept viel Potential hat. Eine noch viel eindeutige Sprache spachen die Einschaltquoten. Über 18 Millionen Zuschauen schalteten ein, die höchste Quote für einen Donnerstagabend in fast 10 Jahren (excl. Footballausstrahlungen). Damit wurden alle Erwartungen weit übertroffen. Und auch in den sozialen Medien wurde getweetet und gepostet was das Zeug hält und #SoundOfMusicLive trendete überall.

Kurz darauf wurde bekannt gegeben, dass das Live Musical auf NBC zu einer jährlichen Tradition werden solle. Die Vorweihnachtszeit würde als Ausstrahlungszeitpunkt bestehen bleiben, und es sollten vorwiegend Familienmusicals gezeigt werden.

Gesagt, getan. 2014 folgte einen Produktion von PETER PAN, wiederum mit Broadwaydarstellern in den Nebenrollen und Fernsehschauspielerin Allison Williams in der Hauptrolle (nach anfänglichen Gerüchten entschloss man sich dann doch die Hauptrolle des Peter Pan wie auch in der Bühnenproduktion üblich mit einer Frau zu besetzen). Wiederrum waren die Kritiken nicht überragend. Die Einschaltquoten lagen mit ca. 8 Millionen weit unterhalb des Erfolges vom Vorjahr, waren aber gut genug um das Projekt nicht vorzeitig aufzugeben.

Im Gegenteil. Auch andere Fernsehsender sprangen jetzt auf den Zug auf. FOX gab bekannt, dass sie im Januar 2016 GREASE live produzieren würden. Der britische Fernsehsender ITV entschloss sich eine eigene Version von SOUND OF MUSIC LIVE produzieren zu wollen. Und NBC entschied sich für ein etwas unkonventionelleres Musical für 2015: THE WIZ. Das Musical THE WIZ ist eine Neuinterpretation von "Der Zaubers von Oz" aus dem Jahre 1978, und ist komplett mit afroamerikanischen Schauspielern besetzt, was sich auch in der Musik des Stückes wiederspiegelt, die durch Jazz und Gospelklänge geprägt ist. Auch die Castingstrategie wurde für dieses Stück geändert. Für die Hauptrolle der Dorothy wurde ein kompletter Newcomer gecastet, die 17-jährige Shanice Williams. Die Nebenrollen wurden mit hochkarätigen Stars wie Mary J. Blige, Queen Latifah und Uzo Aduba besetzt. Und es lohnte sich. Mit drei Jahren Erfahrung und dem neuen Konzept gingen die Einschaltquoten wieder nach oben. Die knapp 12 Millionen Zuschauer von THE WIZ waren genauso begeistert wie die Kritiker. Man war sich einig: der Maßstab für zukünftige Produktionen war gesetzt, und die Messlatte mag hoch!

Keiner konnte ahnen was FOX währenddessen in Los Angeles ausheckte. Man wollte sich deutlich von dem unterscheiden, was NBC seit Jahren erfolgreich auf die Bildschirme brachte. Mit GREASE wählte FOX ein Musical das vielleicht weniger familienfreundlich, aber wenigstens genauso publikumswirksam war. Man entschied sich für GREASE LIVE ein neues Skript zu erarbeiten, einen Hybrid aus dem Musical und dem weltbekannten Film. Gefilmt wurde das ganz nicht auf einer Bühne, sondern in mehreren Soundstages in den Warner Brothers Studios in LA, und im Gegensatz zu NBC, mit einem live Publikum, die als Extras Teil der Produktion werden sollten. Als Darsteller wurde ein bunter Mix aus Fernseh- und Theaterschauspielern gewählt, von Aaron Tveit (Danny) über Julianne Hough (Sandy) und Vanessa Hudgens (Rizzo) bis Carly Rae Japsen (Frenchy). Das Ergebniss war großartig. GREASE LIVE mutete an wie ein Film, aber dann auch wieder nicht. Man bekam ein Einblicke in Bühnenumbauten und den Wechsel von einer Soundstage auf die andere, sah das Publikum, und trotzem war die Umsetzung, inklusive Kameraeinstellung so perfekt wie beim Film und es war kaum zu glauben, dass das alles live über die Bildschirme lief. Die knapp über 12 Millionen live Zuschauer und Kritiker waren sich einig das FOX es geschafft Live Musicals als Format neu zu erfinden und die Messlatte gleich nochmal etwas höher gelegt hatte. Die Zwei Tage später würde GREASE LIVE dann auch in Großbritannien übertragen.

Zwei amerikanische und ein britischer Fernsehsender haben in den letzten 3 Jahren gezeigt, dass Live Theater auch auf den Fernsehbildschirmen überaus erfolgreich sein kann und es für diese Art Unterhaltung einen großen Markt und Publikumshunger zu geben scheint. Die nächsten Projekte sind entsprechend auch schon angekündigt. NBC wird im Dezember 2016 auch etwas jugendlicher und produziert HAIRSPRAY LIVE. FOX hat schon bestätigt ein weiteres Live Musical auf die Beine zu stellen, der Titel wurde bislang aber noch nicht veröffentlicht.

Die große Frage die sich für uns nun stellt, ist ob so etwas auch in Deutschland denkbar wäre. Vielleicht nicht unbedingt eine Eigenproduktion. Es wäre auch doch lohnenswert wenn RTL oder Pro7 eine der bereits gefilmten Produktionen übertragen würden, mit Untertiteln, um zu testen, ob das deutsche Publikum Interesse an dem Format zeigt. GREASE LIVE wäre das ein gutes Testobjekt, oder nicht? Was denkt ihr?

Foto Credit: Fox

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