BWW Reviews: Jung, schön und geliebt... aber moralisch fragwürdig. Musicalklassiker EVITA erstrahlt im Hessischen Staatstheater Wiesbaden

By: Oct. 10, 2013
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Am vergangenen Samstag premierte das weltbekannte Musical Evita aus der Hand von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Uraufgeführt in den 70igern, aber längst ein Klassiker der Musicalwelt, erzählt es die Geschichte von Eva Peron, der ehemaligen First Lady Argentiniens. Es zeigt ihren bewundernswerten Aufstieg von einem Bauernmädchen an die Spitze der Macht innerhalb von nur wenigen Jahren, aber auch ihre fragwürdigen Motive und zweifelhaften Methoden. Angeführt wird die Wiesbadener Produktion von Milica Jovanovic als strahlende Evita und Thomas Christ als zynischer Che.

Die Geschichte beginnt in einem kleinen argentinischen Dorf, wo sich die gerade erst 13-jährige Maria Eva Duarte einem durchreisenden Tangosänger (Philippe Ducloux) anschließt und in einem Versuch der Armut und Ausgrenzung zu entkommen mit ihm nach Buenos Aires geht. Die Romanze ist von kurzer Dauer, aber einmal in der Großstadt angekommen kann Eva bald Karriere als Schauspielerin machen. Trotz ih

rer Jugendlichkeit versteht sie, die Männer geschickt um den Finger zu wickeln und sie sich auf ihrem Weg nach oben zu Nutze zu machen. Nur 10 Jahre später ist sie ein gefeierter Filmstar und lernt den Militäroberst Juan Peron (Peter Bording) kennen, den sie heiratet und der wenig später zum Präsidenten gewählt wird. Als First Lady Argentiniens engagiert sie sich für die Ärmsten des Landes und wird vom Volk wie eine Göttin verehrt. Aber, wie Che quasi als Moderator des Stückes immer wieder betont, Evita giert nach immer mehr Macht und Einfluss und ist zu allererst auf ihr eigenes Wohlergehen aus.

Das Glanzstück dieses Werken und wohl der Hauptgrund für den weltweiten Erfolg ist sicher die mitreißende und ergreifende Musik von Sir Andrew Lloyd Webber. „Wein nicht um mich Argentinien" (Don't cry for me, Argentina) ist weltgekannt und wurde in den letzten 30 Jahren von jedem Künstler der Rang und Namen hat, gecovert. Aber auch viele andere Melodien und Themen, die in typischer Webber-Manier immer wieder aufgefasst werden, sind weithin bekannt. Ein persönliches Highlight war allerdings die schlichte Ballade „Du nimmst den Koffer wieder in die Hand" (Another suitcase in another hall), gesungen von der Mätresse Perons (Sarah Jones), als Evita ihren Platz einnimmt und sie vor die Tür gesetzt wird.

Schauspielerisch und musikalisch liefert das Hessische Staatstheater eine sehr überzeugende Leistung ab. Die Produktion wartet mit einem vergleichsweise großen Orchester und einem Chor, sowie Jugendchor auf. Die große Anzahl von Sängern auf der Bühne wirkt gewaltig und ist der Musik durchaus angemessen. Dadurch kann man auch darüber hinwegsehen, dass hier und da doch das südamerikanische Temperament fehlt. Milica Jovanovic zeigt eine kokette, selbstbewusste Evita, die ihren Weg geht und sich nicht darum kümmert, was andere Leute von ihr denken. Die einzige Meinung die ihr wichtig erscheint, ist die ihres geliebten Volkes, und gegen Ende ihre Lebens, die ihres Vertrauten und Begleiters, Juan Peron. Jovanovic's Evita vollzieht im Laufe des Stückes den Wandel von einem Mädchen, dass mehr aus Verzweiflung und naiver Unbekümmertheit handelt, zu einer intelligenten jungen Frau, die weiß was sie will und wie sie es bekommt, aber später in ihrem Ehrgeiz und ihrem Streben nach Macht, Anerkennung und Einfluss immer mehr den Bezug zur Realität verliert. Ihr klarer, heller Sopran überzeugt vor allem in den höheren Stimmlagen und sie meistert das ikonische „Don't cry for me Argentina" problemlos. Thomas Christ' Che strotz vor Sarkasmus und Selbstbewusstsein und stellt als außenstehender Beobachter sicher, dass das Publikum auch auf die andere, weniger hübsche Seite der Medaille aufmerksam gemacht wird. Er ist damit nicht unbedingt ein liebenswürdiger Charakter, aber doch einer dem man Vertrauen schenken sollte, ein Drahtseilakt der Christ nicht immer zu hundert Prozent gelingt. Er überzeugt dennoch mit seiner starken Bühnenpräsenz und seiner wohlklingenden Stimme.

Das Bühnenbild dieser Inszenierung ist meist sehr einfach, aber doch sehr wirkungsvoll. Auf viele Requisiten wurde, in typischer Manier des Staatstheaters verzichtet. Stattdessen wurden Teile der Bühne immer wieder geschickt angehoben und gesenkt um mehrere Ebenen zu schaffen und die sehr große und tiefe Bühne zu untergliedern. Dennoch gab es ein paar Szenen, in denen sich Darsteller alleine auf einer leeren Bühne wiederfanden und dort etwas verloren erschienen, was nur in einer Szene gegen Ende szenisch sehr passend erscheint.

Gestalterisch am beeindrucktesten war wohl die Antrittsrede von Juan und Eva Peron zur Eröffnung von Akt 2. Die Darsteller wurden hierfür in der zentralen Loge im 1. Rang platziert und auf eine riesige Leinwand auf der Bühne projiziert. Diese Anspielung auf die Ausstrahlung dieser Szene auf Fernseher im ganzen Land war sehr eindrucksvoll und ermöglichte außerdem auch dem Publikum in den hinteren Reihen die Emotionen in Evitas Gesicht während dem legendären Don't cry for me Argentina zu lesen.

Alles in allem ist die Produktion von Evita am Hessischen Staatstheater unter der Leitung von Pascale-Sabine Cheroton (Inzenierung, Choreografie) und Wolfgang Wengenroth (musikalische Leitung), trotz kleinen Schwächen, sehr gelungen. Vor allem die Musik Andrew Lloyd Webbers und die talentierten Schauspieler/Sänger begeistern und machen einen Besuch lohnenswert.

Die nächsten Aufführungstermine sind:

Sa, 19.10.2013 19:30 Uhr

So, 27.10.2013 19:30 Uhr

So, 10.11.2013 19:30 Uhr

Di, 12.11.2013 19:30 Uhr

Fr, 29.11.2013 19:30 Uhr

Di, 31.12.2013 15:00 & 19:00 Uhr

Photo Credit: Lena Obst



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