BWW Interviews: Christian Struppeck, Intendant der Vereinigten Bühnen Wien, über EMANUEL & ELEONORE

By: Jul. 20, 2015
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Der international renommierte, dreifache Oscar-, dreifache Grammy- und Golden Globe-Preisträger Stephen Schwartz (Musik und Liedtexte) arbeitet derzeit gemeinsam mit Intendant Christian Struppeck (Buch) an einem Musical über das Leben des Theaterehepaars Emanuel und Eleonore Schikaneder. Die Eigenproduktion der Vereinigten Bühnen Wien (VBW) mit österreichisch-historischem Inhalt wird im Herbst 2016 in Wien uraufgeführt. Ich hatte kürzlich die Gelegenheit mit Intendant und Buchautor Christian Struppeck über das spannendend neue Projekt und die internationale Kooperation mit Stephen Schwartz und Trevor Nunn zu sprechen.


Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, Ihre Gedanken über Ihr neuestes Projekt mit uns zu teilen und ein paar Fragen für uns zu beantworten.

Was können Sie uns über die neueste Eigenproduktion der Vereinigten Bühnen Wien, "Emanuel und Eleonore", berichten? Wovon handelt das Stück?

Unser Untertitel „die turbulente Liebe hinter der Zauberflöte" verrät schon einiges: Die neue Produktion ist eine romantische Musicalkomödie über eines der schillerndsten Theater-Ehepaare das Wien, ja, ich möchte sogar sagen, die Welt, je hervorgebracht hat - Emanuel und Eleonore Schikaneder. Die beiden haben das Theateruniversum im 18. Jahrhundert maßgeblich und nachhaltig beeinflusst. Und ohne sie wäre eines der größten Werke der Opernliteratur - „Die Zauberflöte" - nie zustande gekommen.

Emanuel Schikaneder ist heute hauptsächlich als Librettist der Zauberflöte bekannt, wenige aber wissen, dass er und - vor allem auch seine Frau, ihre Beziehung - die schicksalshafte "Initialzündung" und der Motor dieses genialen Werkes waren.

Schikaneder war zu seiner Zeit ein gefeiertes Universaltalent: Schauspieler, Bühnendichter, Regisseur, waghalsiger Unternehmer, revolutionärer Theaterdirektor, Visionär und Kampfgeist, der ebenso als Hamlet wie als erster Papageno - eine Rolle, die ihm Mozart auf den Leib geschrieben hatte - triumphieren konnte. So "nebenbei" erbaute er auch das "Theater an der Wien", eines der modernst ausgestatteten und prunkvollsten Theater seiner Zeit und auch heute noch eines der international renommiertesten Opernhäuser.

Die Damenwelt erlag Schikaneders Charme natürlich reihenweise. Sein Herz hat aber nur die intelligente, gewitzte und nicht minder begabte Eleonore Arth erobert. Als Traumpaar der Bühne lösten sie wahre Beifallsstürme aus. Die Ehe der beiden wurde aber rasch durch die rastlose Untreue Schikaneders getrübt.

So zog Eleonore bald die "Handbremse" und verließ Emanuel mit einem anderen Mann, um das "Theater an der Wieden" in Wien zu übernehmen. Ein Schicksalsschlag zwang Eleonore aber, ihren inzwischen verhassten Ehemann Emanuel als Theaterleiter wieder an ihre Seite zu holen.

Was folgt, ist ein wahrlich amüsantes "Katz' und Maus"-Spiel zweier Liebender, das beide aufs Äußerste fordert und zu listigen und kreativen Höchstleistungen angespornt.

Wir folgen in unserem Stück den beiden durch Höhen und Tiefen von der jungen, unbekümmerten Liebe, über leidenschaftliche Auseinandersetzungen bis zu einer gereiften Partnerschaft und beleuchten, wie dies alles die Entstehung der Zauberflöte beeinflusste und möglich machte.

Wie kam die Idee zustande, sich mit dem Ehepaar Schikaneder auseinander zu setzen? Ist diese Geschichte etwas, dass Sie schon lange im Visier hatten?

Der Musikwissenschaftler Michael Lorenz, der sich in jüngerer Zeit mit Emanuel Schikander befasst hat, hat in den Wiener Geschichtsblättern vor einigen Jahren geschrieben, man könne mit Sicherheit sagen, dass die „Zauberflöte" nie entstanden wäre, wenn Schikaneder ein treuer Ehemann gewesen wäre.

Dieses Statement alleine ist nicht nur witzig, sondern birgt schon das Potential der Geschichte:

Wenn man sich nur ein wenig mit Emanuel Schikaneder beschäftigt, begegnet einem eine schillernde Theaterpersönlichkeit mit ungeheurem Instinkt für das Populäre, Sinn für Bühnenmagie und Mut für Experimente. Ein „Theatertier", ein „Theatermagier" im besten Sinn des Wortes, einer der maßlos immer auf den größten Effekt, das Neueste, das Beeindruckendste abzielte. Eine solche Persönlichkeit zu beleuchten, ist für Theaterschaffende und Kreative natürlich immer reizvoll. Und ein Blick auf das „Theater hinter dem Theater" fasziniert seit jeher, den „Blick hinter die Kulissen" liebt jedes Publikum. Mozart und „Die Zauberflöte" stehen heute durchaus zu Recht auf einem fast „heiligen" Podest. Zu zeigen, dass auch dieses Podest auf nur allzu menschlichem Fundament gebaut ist, fand ich überaus reizvoll. Und dass sich dahinter noch eine so einzigartig witzige und zugleich berührende Liebesgeschichte verbirgt, machte die Geschichte für mich unwiderstehlich.

Ich habe schon lange Zeit darüber nachgedacht. Aber erst, als klar war, dass so hochkarätige künstlerische Persönlichkeiten wie Stephen Schwartz und Trevor Nunn ebenso von der Story in ihren Bann gezogen wurden, dass sie ihre Mitarbeit signalisierten, nahm das Ganze für mich Gestalt an, denn ich wollte diese besondere Geschichte nur mit einem so erstklassigen Team gemeinsam umsetzen. Schikaneder selbst wollte stets die besten Künstler und das Beste auf der Bühne bieten - und das wollte ich für unser Musical über ihn auch.

"Emanuel und Eleonore" ist ein vollkommen neues Musical, das weder auf einem Film noch einem Buch basiert, etwas das in der Musicalscene relativ selten vorkommt. Wie haben sie für das Stück recherchiert und welche Quellen haben Sie herangezogen?

Ein neues Musical zu kreieren, das auf keiner Vorlage basiert, ist ja die Königsdisziplin - das Risiko ist größer und schwieriger ist es natürlich allemal. Aber es ist auch etwas ganzbesonderes, gerade heutzutage. Ich bin stolz und froh, dass das im Rahmen der VBW möglich ist, denn es ist immer ein äußerst spannender und besonders kreativer Prozess.

Natürlich steckt da viel - aber durchaus lustvolle - Recherchearbeit dahinter. Das reicht von allgemeinen historischen Details (Wie wurde ein Theater zur Zeit Schikaneders beleuchtet? Wie stand es um die allgemeine Geschäftstätigkeit von Frauen? Was wurde damals gegessen? Wie waren die Gesetze, die Gesundheitsvorsorge organisiert?), bis hin zur Sichtung von alten Akten, Theaterzetteln, Taufregistern und ähnlichem.

Gerade in der letzten Zeit wurde am wissenschaftlichen Sektor dankenswerter Weise tiefergehend zu und über Emanuel Schikaneder gearbeitet. Das ist und war sehr hilfreich für unsere Arbeit. Andererseits ist über seine Frau Eleonore sehr wenig bekannt. Aus einer Fußnote hier oder einer Nennung da erschließt sich dann ein historisches Gesamtbild, das uns einen Rahmen liefert, aber dennoch viel Raum für Interpretation lässt.

Genau hier wird es natürlich im Besonderen spannend. Und bei aller Liebe zu den historisch korrekten Fakten: Es soll keine Dokumentation entstehen, sondern eine Geschichte, die die Gefühle und Menschen für ein heutiges Publikum unmittelbar erlebbar werden lässt. Das heißt, manchmal muss man etwas nur konkret wissen, um sich dann die Freiheit nehmen zu können, es bewusst leicht verändert zu erzählen, natürlich spielt da die Dramaturgie eine große Rolle, wir wollen auf der Bühne am Ende eine spannende Geschichte erzählen. Trotz allem sind wir mit unserem Stück aber dennoch historisch recht korrekt geblieben.

Stephen Schwartz ist vor allem am Broadway ein sehr bekannter Name, er schrieb die Musik für solche Erfolgsmusicals wie "Wicked" und "Pippin". Er arbeitet aber auch schon zuvor in Deutschland an der Musicalfassung von "Der Glöckner von Norte Dame". Warum haben sie ausgerechnet Stephen Schwartz als Komponisten für das Projekt ausgewählt und wie kam die Kooperation mit dem amerkanischen Komponisten zu Stande?

Stephen Schwartz und ich kennen und schätzen uns schon seit der gemeinsamen Arbeit an der Uraufführung von „Der Glöckner von Notre Dame" 1999 in Berlin. Seit damals sind wir befreundet, haben immer Kontakt gehalten und seit damals haben wir uns vorgenommen, wenn die Umstände passen und sich der richtige Stoff findet, einmal gemeinsam ein Musical zu kreieren. Und „Emanuel und Eleonore" haben uns jetzt endlich zusammengebracht.

„Emanuel und Eleonore" geht hinter die Kulissen der Kreation von Mozart's weltberühmter Oper „Die Zauberflöte". Was wird die Zuschauer in diesem Stück musikalisch erwarten? Und werden Ausschnitte oder Passagen der Zauberflöte in irgendeiner Weise mit eingebunden werden?

Also, alle, die bisher bereits die Musik zu „Emanuel und Eleonore" von Stephen Schwartz gehört haben, waren hellauf begeistert. Ja, Kenner der Zauberflöte werden Mozart in einzelnen Passagen, Harmonien und liebevollen und geschickt verarbeiteten Anspielungen erkennen. Stephen ist es gelungen, Mozart mit kleinen Zitaten in eine völlig eigenständige, faszinierende, neue musikalische Welt zu holen. Er kreiert magische, eingängige Melodien, die höchst publikumswirksam sind und eine wunderbare, romantisch-witzige musikalische Grundlage für diese einzigartige Story bilden.

Die Thematik ist recht speziell in der österreichischen Geschichte angesiedelt, das Ehepaar Schikaneder ist außerhalb Österreichs wahrscheinlich nur bewanderten Opernliebhabern bekannt. Die Zauberflöte und Mozart auf der anderen Seite sind weltberühmt. Haben Sie die Hoffnung, das Musical in der Zukunft auch außerhalb Österreichs zu produzieren, mit Stephen Schwartz' Namen vielleicht sogar in die USA zu bringen?

Diese Hoffnung besteht natürlich immer, wenn man eine große Show entwickelt. Natürlich erregt alles, was mit der „Zauberflöte" und „Mozart" zu tun hat, weltweit Aufsehen und unser internationales, erstklassiges Kreativteam natürlich ebenfalls. Und „Eleonore und Emanuel" mögen bisher vielleicht eher in Österreich näher bekannt sein, aber ihre Liebesgeschichte ist zugleich so faszinierend einzigartig wie universell, also eigentlich ein Stoff, der überall gleichermaßen die Menschen bewegen kann. Das zeigt sich jetzt ja auch schon bei der Zusammensetzung des Teams: Das Ehepaar Schikaneder fasziniert den Broadway-Komponisten Stephen Schwartz ebenso, wie den britischen Star-Regisseur Trevor Nunn, mit seinen Shakespeare-Wurzeln. Also, wer weiß? Schikaneder wollte immer schon „hoch hinaus"...

Photo Credit: Rolf Bock



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